BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Ortsverband Warendorf

 

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Haushaltsrede von Jessica Wessels zum städtischen Haushalt 2024

21.03.24 –

Sehr geehrte Warendorfer*innen, sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Kolleg*innen im Rat, sehr geehrte Vertreter*innen der Presse,

am vergangenen Samstag fand die 10. Münsterländer Artenschutzkonferenz in Münster statt. Diese Veranstaltung ruft eindringlich ins Gedächtnis, dass wir neben der Klimakrise auch eine Biodiversitätskrise haben.
Fallen Arten weg, werden Ökokreisläufe gestört. So ist über ein Drittel der weltweiten Ernte von der Bestäubung durch Insekten und andere Tiere abhängig.
Rund eine Millionen Tier- und Pflanzenarten sind derzeit vom Aussterben bedroht, schätzt der Weltbiodiversitätsrat IPBES im Jahr 2022. Und wie beim Klimawandel ist der Mensch für das größte Massensterben seit 66 Millionen Jahren verantwortlich.

Nach einem am Dienstag veröffentlichten Bericht der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) war 2023, das heißestes Jahr seit Aufzeichnung. Die globale Mitteltemperatur lag um 1,45 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau und damit noch nie so nah unter der 1,5 Grad-Schwelle.
Es gab weltweit eine Vielzahl an extremen Wetter- und Klimaereignissen. Neben diversen Stürmen, gab es eine Hitzewelle, vor allem in Südeuropa und Nordafrika. In Kanada brannten 14,9 Millionen Hektar Wald ab und nach schweren Überflutungen am Horn von Afrika, wurden in dessen Folge etwa 1,8 Millionen Menschen obdachlos.

Warum spreche ich darüber in einer Haushaltsrede im Rat der Stadt Warendorf? Weil auch wir schon seit einigen Jahren, die Auswirkungen des Klimawandels vor Ort spüren und sich diese auch auf den städtischen Haushalt auswirken. Ich möchte die Hitzesommer der vergangenen Jahre ins Gedächtnis rufen, aber auch ganz aktuell die Hochwasserlagen des vergangenen Jahres, insbesondere um Weihnachten herum. Hier gilt mein besonderer Dank den Einsatzkräften und den vielen ehrenamtlichen Helfer*innen. Aber zur Wahrheit gehört auch dazu, dass wir u.a. große Investitionen in die Gefahrenabwehr tätigen müssen, um auch den Klimawandelfolgeschäden hehr zu werden.
Es gibt viele Vorschläge, wie dem Klimawandel und Artensterben entgegengewirkt werden kann und auf den ersten Blick erscheint es bei der Vielzahl an Forderungen keine Aufgabe zu sein, die eine Kommune wie Warendorf lösen kann. Aber dieses Denken entlässt uns viel zu schnell aus unserer Verantwortung. Jeder Kommune fällt auch eine Vorbildfunktion zu und nimmt sie in die Pflicht.
Wir arbeiten gerade an einer Vielzahl von Konzepten unter anderem in den Bereichen Klimaschutz und Mobilität. Und verstehen Sie mich richtig, auch ich freue mich über vernünftige Gesamtkonzepte, die hoffentlich dauerhafte Effekte erzielen, aber es kann doch sein, dass wir bis zur Fertigstellung des vermeintlich großen Wurfs im Nichtstun verharren.

Und diesen Eindruck gewinne ich an vielen Stellen, wenn gute Vorschläge mit dem Verweis auf noch nicht fertige Konzepte abgelehnt oder hintenangestellt werden. Warum nicht Schilder aufstellen, die das Überholen von Fahrradfahrer*innen verbieten, wie vom Runden Tisch Radverkehr gefordert. Und wenn wir in ein paar Jahren ein besseres Konzept haben, werden sie halt wieder abgebaut. Aber wenn die Schilder bis dahin zur Sicherheit der Radler*innen beitragen und ein Bewusstsein für eine andere Mobilität als durch die Windschutzscheibe schärfen, überwiegt meiner Auffassung nach, der Nutzen.

Aber auch in Warendorf ist schon einiges passiert:

Es war richtig, dass wir die Altstadtsatzung geändert haben und nun die Installation von Photovoltaikanlagen an vielen Stellen ermöglichen.
Die Rücknahme von Parkplätzen in der Altstadt stärkt die Aufenthaltsqualität und es sind viele kleine Maßnahmen für den Radverkehr umgesetzt worden, wie zusätzliche Abstellplätze und Vorfahrtsregelungen. Ganz besonders freut uns, dass der Radweg an der Waterstroate fertig gestellt wurde und es so aussieht als würde auch endlich ein vernünftiger Radweg an der L 793 entstehen.

Nichtsdestotrotz ist uns allen bewusst, dass wir uns, aufgrund der Vielzahl an Pflichtaufgaben und noch umzusetzender Projekte in einer schwierigen Haushaltslage befinden. Ich begrüße nach wie vor die konstruktive, überfraktionelle Zusammenarbeit an der so genannten Projektliste, die uns eine gewisse Orientierungsrichtlinie bietet.
Jedoch wird die Umsetzung vieler Projekte durch die gestiegenen Baukosten und das komplexe Vergabewesen erschwert, was uns auch bei der nötigen Schaffung von Kita-Plätzen und dem OGS-Ausbau begleitet. Hier teile ich die Kritik an Bund und Land, die nach wie vor keine auskömmliche finanzielle Unterstützung der Kommunen ermöglichen.

Nun haben wir uns z.B. bei einigen Kindergartenprojekten mit Investoren auf den Weg gemacht und ich erkenne an, dass die Umsetzung in In de Brinke durchaus positiv verläuft, allerdings bin ich in Hoetmar weiterhin skeptisch. Die FDP wirbt bei Investorenmodellen damit, dass diese schneller umgesetzt werden und für die Stadt kostengünstiger sind. Zumindest Letzteres ist noch zweifelhaft.
Wir Grüne vertreten die Auffassung, dass öffentliche Infrastrukturprojekte in der Regel auch in der öffentlichen Hand verbleiben sollen. Wir werden die Projekte weiterhin kritisch begleiten.

Die in Warendorf vorhandenen Freizeitangebote sind ein Pfund und sollten erhalten bleiben und gefördert werden. Aber auch hier gibt es Luft nach oben. So halten wir als Grüne weiterhin den Hallenbadneubau für eine sinnvolle Infrastrukturmaßnahme. Wir benötigen ausreichende Schwimmflächen, um den verschiedenen Gruppen, Familien und Vereinen das Schwimmen zu ermöglichen. Auch müssen alle Erfordernisse der Barrierefreiheit umgesetzt werden. Wir sehen ein, dass es aufgrund der angespannten Finanzsituation im Moment schwer umsetzbar ist. Doch auch hier gehört zur Wahrheit dazu: Wäre der Neubau seinerzeit nach dem Ratsbeschluss direkt angegangen worden, würde vermutlich das neue Bad jetzt schon stehen.

Aufgrund der Haushaltslage haben wir Grüne uns dieses Jahr bewusst mit kostenintensiven Anträgen zurückgehalten, aber wenn ich im Nachhinein betrachte, wie teilweise unsere Anträge in den Ausschüssen behandelt wurden, hätten wir mehr auf die Sahne hauen sollen. Ich frage mich ganz ehrlich, was man gegen die Durchführung eines Mobilitätstages in der Altstadt haben kann. Und ich möchte hier gerne auf mein Eingangsstatement zurückkommen, indem ich von der Vorbildfunktion der Stadt und den bereits vorhandenen Klimafolgeschäden sprach. Denn gerade im Verkehrssektor verfehlen wir deutschlandweit nach wie vor in hohem Maße die Klimaziele. Und warum nicht so einen Tag nutzen, um unsere Bürger*innen auf klimafreundlichere Alternativen aufmerksam zu machen?
Oder wie kann man gegen das Aufstellen eines Hinweisschildes für unsere Städtepartnerschaften auf dem Marktplatz sein? Städtepartnerschaften sind ein Sinnbild gelebter Völkerverständigung und in unseren Warendorfer Städtepartnerschaften wird der kulturelle und freundschaftliche Austausch seit Jahren gelebt und gefördert. Dies sollte auch optisch und an prominenter Stelle gezeigt werden. Kleine Anmerkung am Rande: Ganz aktuell waren gerade Vertreter*innen des deutsch-polnischen Freundeskreises in Jaunay-Marigny, das ist die französische Partnerstadt von Olesnica und sie schickten ein Foto, wo sie genau unter so einem Hinweisschild posieren.

Aber zurück zum städtischen Haushalt:

Wir haben uns intensiv mit den Vorschlägen des Bürgermeisters auseinandergesetzt und halten, die dort veranschlagten Projekte für sinnvoll und haben deshalb auch keinen Vorschlag zur Streichung eingebracht. Wie im Übrigen auch keine andere Fraktion.
Aufgrund der überall gestiegenen Kosten und der unzureichenden Unterstützung von Bund und Land werden wir ebenfalls die jetzt vorgeschlagenen Steuererhöhungen mittragen.
Da ich ziemlich sicher bin, dass mindestens zwei Fraktionen den Haushalt u.a. deshalb ablehnen werden, verwundert es mich doch, dass weder Anträge zu nennenswerten Streichungen von Haushaltspositionen kamen noch wie es stattdessen finanziert werden soll.
Also bleibt mir nur zu unterstellen, dass eine weitere Verschuldung der Stadt sehenden Auges akzeptiert wird und liebe FDP, ob ihr bei den Investorenmodellen recht behaltet, wird erst die Zukunft zeigen, aber mehr habe ich von euch auch nicht gehört.

Und apropos auf die Sahne hauen:
Mit völligem Unverständnis habe ich zur Kenntnis genommen, dass die CDU den Haushalt bereits vor den Beratungen abgelehnt hat und dann munter Anträge zu diesem Haushalt gestellt und wie gesagt nicht einen nennenswerten Einsparungsvorschlag gemacht hat.
Auch wenn ich immer wieder höre, dass doch das Brinkhausgelände wieder verkauft werden soll, frage ich mich, was das wirklich bringen soll. Es wurde dann kurzfristig und kurzsichtig Geld generiert, statt das Gelände städtebaulich sinnvoll zu erschließen. Wir haben dort eine Spardose liegen und das Tafelsilber kann man nur einmal verkaufen.

Auch die Kritik am Stellenplan kann ich nicht nachvollziehen. Zum einen gab es in diesem Jahr keine nennenswerten Änderungen und zum anderen, haben uns u.a. die Orga-Untersuchungen deutlich aufgezeigt, wo der Schuh drückt und mehr Personal benötigen wird. Auch hier habe ich keinen Antrag von der CDU oder einer anderen Partei vorliegen, in dem Stellenkürzungen gefordert werden. Ich persönlich nehme wahr, dass von der Verwaltung aktuell viele Projekte angepackt und umgesetzt werden und dafür möchte ich meinen Dank aussprechen.

Kurz vor dem Schluss und was wäre eine Haushaltsrede von mir ohne diesen Satz: Wir halten weiterhin an unserer klaren Ablehnung zum Bau der B 64n fest!

Und ganz zum Schluss ist es mir ein Anliegen noch auf das Thema Bürgerbeteiligung einzugehen, welches schon seit längerem die Gemüter auch hier in der örtlichen Politik erhitzt. Streitpunkt landauf landab ist die richtige Form und deren Notwendigkeit. Wir Grünen sind der Auffassung, dass verlässliche Teilhabemöglichkeiten geschaffen werden müssen und nicht wie es teilweise in Kreisen der CDU und FDP vertreten wird, der Gang zur Urne ausreicht und dann werden es die gewählten Volksvertreter*innen schon richten.
Bürgerbeteiligung bedeutet im besten Fall gelebte Demokratie. Wir erleben schon seit einigen Jahren eine zunehmende Politikverdrossenheit und dass sollten wir ernst nehmen. Auf dem diesjährigen Neujahrsempfang sprach der Sozialforscher Dr. Kai Unzicker und er betonte, dass wir Räumen für den gegenseitigen Austausch schaffen müssen.

Drastisch führten uns auch die Enthüllungen von Correctiv vor Augen, wie angreifbar unsere Demokratie ist und welche rassistischen Umtriebe vorhanden sind.
Unsere Demokratie ist kein Selbstläufer und ist durch Extremismus und Populismus gefährdet. Diesen Missständen können wir auch hier vor Ort durch die Schaffung von politischer Teilhabe und der Schaffung von Plattformen zum politischen Diskurs entgegenwirken.
Begeistert hat mich, dass knapp 3000 Menschen unserem parteiübergreifenden Aufruf zur Kundgebung „Klare Kante gegen Rechts“ gefolgt sind. Beindruckt haben mich die vielfältigen Redebeiträge aus der Zivilgesellschaft. Ich möchte an dieser Stelle Peter Lenfers zitieren, der sagte „unser Kreuz hat keine Haken“.

Wie immer könnte ich noch weiter Punkte ansprechen, aber ich möchte an dieser Stelle zum Schluss kommen. Wir stehen als Stadt Warendorf weiterhin vor vielfältigen Herausforderungen und diese gilt es gemeinsam anzupacken. Wir werden als Grüne dem Haushalt in der vorliegenden Form zustimmen.

Ich möchte mich herzlich bei den Kolleg*innen im Rat und den Ausschüssen für die Zusammenarbeit bedanken.

Mein Dank geht auch an die Mitarbeiter*innen der Verwaltung und den Bürgermeister für die geleistete Arbeit und den guten Umgang miteinander.

Last but not least möchte ich meiner Fraktion für ihre engagierte Arbeit danken.

 

 

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