BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Ortsverband Warendorf

 

Aktuelles

Haushaltsrede von Jessica Wessels zum städtischen Haushalt 2023

16.12.22 –

Sehr geehrte Warendorfer*innen, sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Kolleg*innen im Rat, sehr geehrte Vertreter*innen der Presse,

viele Menschen verspüren in diesen Zeiten eine große Unsicherheit und sehen mit Sorgen in die Zukunft. Gefühlt schlittern wir von einer Krise in die Nächste. Es ist meiner Auffassung nach Aufgabe der Politik die Sorgen der Bürger*innen ernst zu nehmen und ein offenes Ohr zu haben, aber im Gegenzug dürfen Ängste nicht aus politischen Interessen geschürt werden. So sind wir auch als Stadt Warendorf in wirtschaftlicher Hinsicht besser durch die Corona-Pandemie gekommen als anfangs erwartet. Ganz aktuell geht das Institut für Weltwirtschaft nun sogar von einem leichten Wachstum des Bruttoinlandsprodukts in Deutschland für das kommende Jahr aus und auch die Inflationsrate soll geringer ausfallen als bisher angenommen. Die Zahlen sind immer noch kein Anlass zum Jubel, aber vielleicht für vorsichtigen Optimismus.

Warum Rede ich darüber?

Diese Entwicklungen sowie politische Entscheidungen auf Bundes- und Landesebene haben einen großen Einfluss auf Projekte hier vor Ort. Gerade bei unseren Bauprojekten spielen explodierenden Baukosten und gesetzgeberischen Vorgaben eine enorme Rolle. Ein Beispiel sind unsere fehlenden Kita-Plätze und damit verbunden die Kita-Neubauten. Es werden aktuell verschiedene Möglichkeiten diskutiert, wie die Kita-Projekte umgesetzt werden können. Wir Grüne vertreten die Auffassung, dass öffentliche Infrastrukturprojekte in der Regel auch in der öffentlichen Hand verbleiben sollen. Wir befürworten den Bau von Kitas auf eigenen Grundstücken mit Gebäuden, die im Besitz der Stadt sind. Nun stehen unter anderem zwei Investorenprojekte in Milte und In de Brinke zur Diskussion. Wir können durchaus den Vorschlag der Stadt nachvollziehen, mit dem die Hoffnung auf schnellere Umsetzung der Projekte und eine Kostenminimierung verbunden ist. Und die Konzepte hinter den beiden Projekten lassen sich durchaus positiv bewerten, aber daran ändert sich nicht, dass es noch viele offene Fragen gibt, die sich vielfach erst über die noch zu schließenden Verträge klären lassen. 

Sind die Projekte wirklich im direkten Kostenvergleich langfristig günstiger? Kommen in Zukunft je nach wirtschaftlicher Entwicklung noch weitere Kosten auf die Stadt zu? Wie wird bewertet das Steuergeld in Gebäude investiert werden, die der Stadt im Nachhinein nicht gehören? Wie sieht in Milte die Kostenabgrenzung zwischen der durch die Kita verursachten Kosten und denen durch die angedachten Mietwohnungen aus?

Wir werden den Prozess weiterhin kritisch begleiten und hoffen darüber hinaus auf die beste Versorgung der Kinder in allen Kitas.

Auch von unserer Verwaltung werden immer mehr Aufgaben abverlangt und die Dichte der Projekte steigt. In der Stadt Warendorf hat sich in den letzten Jahren ein großer Sanierungsstau angehäuft und viele Projekte wurden unter den Amtsvorgängern nicht konsequent angepackt, nicht abgeschlossen und wir müssen uns jetzt damit weiter befassen.

Es kam von Seiten der Verwaltung das deutliche Signal in die Politik, dass ein weiter so wie bisher nicht mehr funktioniert. Als positiv bewerte ich die überfraktionelle Zusammenarbeit an der so genannten Projektliste. Wo wir konstruktiv und lösungsorientiert eine Projektabfolge erstellt haben, die zwar im Fluss ist, aber zugleich eine gewisse Orientierungsrichtlinie bietet.

Weniger nachvollziehbar ist für mich die Ablehnung des Stellenplans durch CDU und FDP. So hat von den beiden nur die CDU einen Antrag zum Stellenplan gestellt und dieser wurde auch positiv beschieden. Sie lehnen die zusätzliche Dezernentenstelle ab sowie die nach ihrer Auffassung zu vielen neuen Stellen, aber ohne sachdienliche Gegenvorschläge zu machen. Völlig undifferenziert wurde das Argument vorgebracht, dass andere Städte unsere Größe es aber anders machen würden, es wurde aber keine Aussage darüber getroffen, wie die Verwaltungen dort funktionieren, was dort gut läuft oder schlecht. Von der Stadt in Auftrag gegebene Untersuchungen von Sachgebieten haben aufgezeigt, wo der Schuh drückt und wir mehr Personal benötigen. Jahrelang wurden diese Untersuchungen gefordert und das Problem von den Amtsvorgängern nicht konsequent angepackt. Und jetzt wo ein Ergebnis vorliegt, werden die Aussagen angezweifelt und abgelehnt, aber ohne einen anderen Vorschlag zu machen, wie die Verwaltung entlastet werden und effizienter arbeiten kann. Wir halten die Umstrukturierung der Verwaltung ist einen mutigen Schritt und verbinden damit die Erwartung einer Veränderung in den Arbeitsabläufen und das unsere vielfältigen Projekte zur Umsetzung kommen. In diesen Zeiten wo überall Personal fehlt, müssen wir den Mitarbeiter*innen Anreize bieten und auch Stellen entfristen um unsere Mitarbeiter*innen zu halten.

Seit der Kommunalwahl sind die Mehrheiten nicht mehr gesetzt und es muss vermehrt im politischen Diskurs um diese gerungen werden. Ich empfinde dies als positiv, denn die Möglichkeit der politischen Debatte ist ein hohes demokratisches Gut. Mit Unverständnis sehe ich allerdings in mancher Hinsicht das Vorgehen der CDU, die bei jeder sich bietenden Gelegenheit die Verwaltung und den Bürgermeister leider oft polemisch angreift und kritisiert. Es ist wichtig politische Entscheidungen und Projekte zu hinterfragen und ein Höchstmaß an Transparenz zu fordern. Doch ich gewinne in letzter Zeit oft den Eindruck, dass hier offensichtlich vielfach kein Interesse an politischer Gestaltung besteht, sondern vielmehr nichts unversucht gelassen wird, dass Bild unserer Verwaltung und unseres Bürgermeisters in der Öffentlichkeit zu beschädigen.

Nichtsdestotrotz bin ich aber der Auffassung, dass wir in den letzten Jahren viele gute Entscheidungen gemeinsam auf den Weg gebracht haben.

So halten wir als Grüne weiterhin den Hallenbadneubau für eine sinnvolle Infrastrukturmaßnahme. Wir benötigen ausreichende Schwimmflächen, um den verschiedenen Gruppen, Familien und Vereinen das Schwimmen zu ermöglichen. In der Corona-Pandemie hat die Zahl der Nichtschwimmer*innen noch weiter zu genommen und dieser Entwicklung müssen wir als Stadt entgegenwirken. Auch müssen alle Erfordernisse der Barrierefreiheit umgesetzt werden. Wir hoffen zudem, dass mit dem Hallenbadneubau ein Baustein entsteht, um die Fernwärme in Warendorf flächendeckend anbieten zu können.

Die Corona-Pandemie und die mit dem Ukraine-Krieg verbundene Energiekrise hat offen gezeigt, dass unser soziales Netz Lücken hat. In der Corona-Pandemie wurde eine Zunahme von häuslicher Gewalt gegenüber Frauen verzeichnet und leider geht es noch darüber hinaus. Nach Aussage des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben hat in Deutschland bereits jede dritte Frau mindestens einmal in ihrem Leben Gewalt erlebt. Diese Entwicklung dürfen wir als Gesellschaft nicht hinnehmen. Wir wissen alle, dass die Finanzierung der Frauenberatungsstelle in Warendorf durch Land, Bund und Stadt seit Jahren insgesamt nicht ausreichend ist. Das schränkt die Mitarbeiterinnen in ihrer wichtigen Arbeit ein. Wir haben als Grüne deshalb die dauerhafte Erhöhung des freiwilligen Zuschusses der Stadt von 5.000 € auf 10.000 € gefordert. Leider fand unser Antrag nicht die erforderliche Mehrheit.

Im sozialen Bereich begrüßen wir, dass wir als Stadt den Förderzuschlag für das Programm „Inklusion vor Ort“ bekommen haben. Gemeinsam mit Caritas und der Aktion Mensch werden gerade die Konzepte erstellt. Ziel ist es Barrieren abzuschaffen – hoffentlich auch in den Köpfen – damit Teilhabe für alle Menschen möglich wird.

Wir begrüßen zudem, dass unserem Antrag zur dauerhaften Erhöhung des Zuschusses für die Fairtrade-Steuerungsgruppe einstimmig gefolgt wurde. Zum einen steht im nächsten Jahr die erneute Zertifizierung der Stadt Warendorf als Fairtrade-Stadt an und zum anderen möchten wir der Steuerungsgruppe ein vernünftiges Budget ermöglichen, um mit Aktionen und Veranstaltungen auf das Thema fairer Handel aufmerksam machen zu können. Bei Fairtrade werden im Gegensatz zum konventionellen Handel bei den Produkten sowohl in der Herstellung wie auch bei den Handelsbeziehungen bestimmte Standards eingehalten. Fairer Handel kann so dazu beitragen, die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen am Anfang der Lieferkette zu verbessern. Dies gilt insbesondere für Länder, in denen faire und sichere Arbeits- und Lohnverhältnisse fehlen.

Ebenfalls haben wir die Durchführung einer Ehrenamtsmesse beantragt. Durch so eine Veranstaltung kann das notwendige bürgerschaftliche Engagement gestärkt werden, indem den Vereinen die Möglichkeit gegeben wird ihre Arbeit vorzustellen und ein Austausch zwischen Akteur*innen und Interessent*innen organisiert wird. Das Ehrenamt hat in Warendorf eine immense Bedeutung und ist eine Säule in unserer Gesellschaft. Dieses Engagement gilt es zu unterstützen und zu stärken.

Ich habe bereits einen Teil der aktuellen Krisen unserer Zeit bereits genannt. Die Corona-Pandemie, der Krieg in der Ukraine und die damit verbundene Energiekrise waren ein plötzlicher Schock, bei dem das Gewohnte wegbrach. Ich möchte jetzt auf den Klimawandel und das Artensterben zu sprechen kommen. Diese globale Zwillingskrise entwickelt sich schleichend und die Katastrophe kommt erst später. Es geht um nicht-reversible, tiefgreifende Veränderungen im Erdsystem und die aktuellen Berichte des Weltklimarats IPCC führen uns schonungslos vor Augen, dass die menschengemachte Klimakrise längst da ist. Die CO2-Emissionen und die Temperaturen sind erneut angestiegen und werden noch weiter steigen. Wenn nichts passiert, wird bis zum Jahr 2030 die Erde so um 1,5 Grad wärmer sein, als in der vorindustriellen Zeit – rund zehn Jahre früher als bisher erwartet. Für ein weiter so wie bisher ist es längst zu spät und Handeln auf allen Ebenen ist unumgänglich.

Es ist völlig klar, dass Klimaschutz Geld kostet, aber hier nicht zu investieren, wird uns noch viel mehr kosten.  Es darf bei städtischen Projekten nicht mehr vorrangig der ökonomische Gedanke im Vordergrund stehen.

Wir dürfen und können nicht mehr auf andere warten, sondern müssen auch im Kleinen die Probleme angehen. Als Stadt haben wir vielfältige Möglichkeiten unsere Bürger*innen zu informieren und Anreize zu schaffen. So haben wir die Durchführung eines Wettbewerbs zum Thema Mikroklimaverbesserung beantragt, denn im Rahmen der Betrachtung von Klimafolgeschäden zeigt sich, dass zur Bewältigung von hohen Temperaturen im Sommer das Mikroklima im Bereich von Grundstücken und Wohnstraßen immer wichtiger wird. Hierbei spielen bepflanzte Vorgärten und die Abkehr von den so genannten Steingärten eine große Rolle. Ich kann auch gar nicht oft genug auf die immense Wichtigkeit von Bäumen hinweisen, denn sie regulieren das Mikroklima, spenden Schatten, filtern Emissionen aus Luft und Boden, werten das Stadtbild auf und sind Lebensraum stadttypischer Vogel- und Insektenarten.

Ein weiterer Baustein kann die von uns bereits in der letzten Wahlperiode und jetzt erneut beantragte Beratung zur Müllvermeidung sein. Kaum ein EU-Land entsorgt mehr Müll als Deutschland. Im Jahr 2020 waren es durchschnittlich 632 Kg pro Person. Auch im Hinblick auf ressourcensparendes Handeln müssen wir diesem Trend entgegenwirken.

Auch im Bereich des Radverkehrs gibt es nach unserer Auffassung noch zu viele offene Baustellen. Wir begrüßen das Radverkehrskonzept und das Mobilitätskonzept (wenn beschlossen), aber wir drängen darauf, dass die angedachten Maßnahmen auch schnell in die Umsetzung kommen. Der Sanierungsstau bei den Radwegen muss konsequenter angegangen und neue Radwege angelegt werden, damit wir attraktive Alternativen zum PKW-Verkehr bieten.

Wir wünschen uns mehr Mut bei der Schaffung von Alternativen zum Autoverkehr. Die Ziele des Klimaschutzes, hier insbesondere die Reduzierung der Treibhausgase, werden in Deutschland vor allem im Mobilitätsbereich verfehlt. So muss endlich, dass Konzept Ruhender Verkehr in die Umsetzung kommen. Denn dies wird zu einer Entlastung der Altstadt führen und den Park-Such-Verkehr einschränken. Auch drängen wir darauf, dass unser Antrag zur Verbesserung der Aufenthaltsqualität in der Warendorfer Innenstadt Anfang nächsten Jahres in die politische Diskussion kommt. Wir laden hier alle zu einem Austausch dazu ein, wie wir den Kraftfahrzeugverkehr in der Altstadt reduzieren können. Der Innenstadtraum soll neu verteilt und die Innenstadt soll familienfreundlicher werden und an Attraktivität sowie Aufenthaltsqualität gewinnen.

Apropos Mut: Wir hoffen, dass wir heute zum letzten Mal über eine Temporeduzierung auf 30 km/h auf der Reichenbacher Straße abstimmen. Die Rechtslage mag noch diskutabel sein, aber ein Umdenken im Verkehrsbereich lässt sich nicht dauerhaft ausbremsen. Wir Grüne sehen die dringende Notwendigkeit einer Reform des Straßenverkehrsrechts. Dieses muss sich an den Bedürfnissen aller Verkehrsteilnehmenden ausrichten und nicht wie bisher vorrangig an die Bedürfnisse des Kfz-Verkehrs. Und selbst unser Landrat äußerte im Juni diesen Jahres in einem gemeinsamen Aufsatz mit Oberbürgermeister Lewe im Tagespiegel online: „Wir Kommunen brauchen ferner mehr Freiheit. Das betrifft zum Beispiel die Anwendung der Straßenverkehrsverordnung.“. Und: „Wir wissen selbst am besten, wo wir Tempo 30 brauchen – und wo nicht.“ Es wäre schön, wenn er sich an seine eigenen Worte erinnern kann.

Und um unser Anliegen zu unterstreichen, haben wir wie auch Initiativen aus der Bürgerschaft den Beitritt in die kommunale Initiative "lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten" beantragt. Dieser haben sich mittlerweile bereits 352 Städte, Gemeinden und Landkreise angeschlossen, die sich für mehr Entscheidungsfreiheit bei der Anordnung von Tempolimits engagieren.

Und es wäre keine Haushaltsrede von mir, wenn ich nicht an einer Stelle unseren weiter anhaltenden Widerstand gegen den Bau der B64n betone!

Es gäbe noch viele Punkte, die anzusprechen sind, aber ich möchte an dieser Stelle zum Schluss kommen. Wir stehen als Stadt Warendorf vor vielfältigen Herausforderungen und diese gilt es gemeinsam anzupacken. Vielfach bremsen uns aktuelle Entwicklungen aus, aber wir sehen viele gute Ansätze im aktuellen Haushalt, aber wir müssen konsequenter für den Klima-, Umwelt- und Artenschutz handeln. Wir werden als Grüne weiter in diese Richtung drängen und stimmen dem Haushalt in der vorliegenden Form zu.

Ich möchte mich herzlich bei den Kolleg*innen im Rat und den Ausschüssen für die Zusammenarbeit bedanken.

Mein Dank geht auch an die Mitarbeiter*innen der Verwaltung und den Bürgermeister für die geleistete Arbeit und es war immer möglich schnelle Auskünfte bei Fragen zu erhalten auch wenn wir nicht immer dieselbe Auffassung vertreten. Vielen Dank dafür.

Ich wünsche allen Warendorfer*innen frohe Weihnachten und einen guten Rutsch in das Neue Jahr!

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