BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Ortsverband Warendorf

Antrag zum Thema "Wagenfeldstraße"

die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen beantragt: Die Wagenfeldstrasse im Ortsteil Hoetmar wird umbenannt.Als neuer Name wird die frühere Flurbezeichnung gewählt, die um „-weg“ ergänzt wird.  Begründung: (Diese Begründung ist angesichts der komplexen Materie ausführlich, wir bitten um Verständnis.) Die Bezeichnung „Wagenfeldstrasse“ muss aufgegeben werden, um damit Karl Wagenfeld die Ehre zu entziehen, die es bedeutet, wenn eine Strasse, ein Platz, eine Schule oder eine sonstige öffentliche Einrichtung den Namen einer Persönlichkeit trägt.

01.06.16 –

die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen beantragt:

Die Wagenfeldstrasse im Ortsteil Hoetmar wird umbenannt.
Als neuer Name wird die frühere Flurbezeichnung gewählt, die um „-weg“ ergänzt wird.

Begründung:

(Diese Begründung ist angesichts der komplexen Materie ausführlich, wir bitten um Verständnis.)

Die Bezeichnung „Wagenfeldstrasse“ muss aufgegeben werden, um damit Karl Wagenfeld die Ehre zu entziehen, die es bedeutet, wenn eine Strasse, ein Platz, eine Schule oder eine sonstige öffentliche Einrichtung den Namen einer Persönlichkeit trägt.

Mit keiner anderen, als ehrenden Absicht wurde solche Ehre zum Beispiel der Persönlichkeit August Wessing gleich zweimal zuteil. Damit sollte seiner in Respekt für mitmenschliches Handeln in der Zeit des Nationalsozialismus gedacht und er in der Bevölkerung wie auch bei den Partnerstädten und den Touristen in Erinnerung gebracht werden, und damit einhergehend mit seiner Mitmenschlichkeit und seinem Eintreten für Schwache, in seinem Fall u.a. für osteuropäische Zwangsarbeiterinnen. Bei Wagenfeld liegen zwar Verdienste vor (im Bereich der Mundartdichtung und der Heimatbewegung) allerdings distanzierte sich u.a. der damalige Landesdirektor, in dessen Amtszeit die Forschungsarbeit der Historikerkommission zu belasteten Namen fiel, von ihm: „Wagenfeld hat an vielen Stellen die Grenzen überschritten und eine Nähe zur nationalsozialistischen Ideologie deutlich werden lassen.“(WN 18.02.2011)

Als die Wagenfeldstrasse in Hoetmar benannt wurde, lagen die Erkenntnisse über den damals hauptsächlich als Heimatdichter bekannten Karl Wagenfeld nicht so vor, wie das seit einigen Jahren der Fall ist. Inzwischen ist – wesentlich durch die vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe eingesetzte Historiker-Kommission – bekannt, dass Wagenfeld ein rassistisches Menschenbild vertrat und in die Heimatbewegung propagandistisch infiltrierte. Der Stand der wissenschaftlichen Forschung über ihn und sein Denken zeigt ihn als Wegbereiter des Nationalsozialismus. Er vertrat u.a. die Auffassung, dass die Rasse Haltung, Verhalten und Charakter der Menschen bestimme. Schon in der Zeit des ersten Weltkrieges verlangte er eine gnadenlose Kriegsführung. Dieses war gepaart mit der von ihm formulierten Gewissheit, dass Gott auf der Seite der kriegsführenden Deutschen stehe. Seine vielfach in westfälischem Platt geschriebenen Werke gelangten bis an die Fronten und lassen ihn als “fanatischen Nationalisten“ erkennen. Der von ihm mit großem Eifer vertretene Nationalismus und besonders der Rassismus blieben aber nicht etwa in der Zone seiner eigenen Dichtung. Vielmehr sorgte Wagenfeld mit Eifer dafür, dass diese, sowie seine Überzeugung, dass die eigene Rasse unbedingt von fremden Einflüssen freigehalten werden müsse, in die westfälische Heimatbewegung eingingen.[1] Dass die Nationalsozialisten die westfälische Heimatbewegung als eine Art Vorläufer einstuften, dürfte zu einem maßgeblichen Teil auch das Werk dieses Dichters gewesen sein, der im Grund schon nationalsozialistisch dachte, schrieb und wirkte, bevor die Bezeichnung dafür gebräuchlich war. Wagenfeld setzte sich vehement dafür ein, Rassenhygiene zu betreiben und wollte die Heimatvereine dafür instrumentalisieren (aus einer Rede Wagenfelds):

“ Ein guter Teil dessen, was uns zu Deutschen macht, ist Stammes- und Bluterbe der Väter, uns anvertraut, es weiterzugeben an die Nachfahren. Weite Kreise unseres Volkes wissen um Rasse- und Zuchtfragen bei Vieh und Pflanzen, haben aber nicht die Erkenntnis und das Verantwortungsgefühl. Nur geistig und körperlich gesunde Eltern dürfen Nachwuchs zeugen. Die heute noch hemmungslose Fortpflanzung und Vermehrung der körperlich und geistig Minderwertigen bedeutet eine wachsende Bedrohung Deutschlands in rassischer, kultureller, wirtschaftlicher und politischer Beziehung. Könnten die Unsummen, die heute für den Nachwuchs der Minderwertigen in Krüppel- und Idiotenanstalten, in Fürsorgeheimen und Strafanstalten geopfert werden, zur Förderung der Qualität und Quantität des Nachwuchses gesunder Ehepaare verwandt werden: es bedeutete für den Aufstieg unserer Heimat etwas ganz Gewaltiges. Aufklärung weitester Volkskreise tut not. Vorträge zu den Problemen der Biologie und Eugenik dürfen in keinem Programm eines deutschen Heimatvereines fehlen.“

(Ditt 2012 S.199)

Wer sich heute mit den wissenschaftlich gesicherten Erkenntnissen befasst, wird Wagenfeld keiner Ehre für würdig erachten. Wirken, Werk und Persönlichkeit dieses fanatischen Rassisten und Eugenikers sind voneinander nicht zu trennen und dieses wiederum nicht vom Nationalsozialismus.

Benennungsvorgang in Hoetmar

Kreisarchivar Dr. Brakmann informierte unsere Fraktion wie folgt:

„Am 13. August 1969 wendet sich der Stadtdirektor der Stadt Freckenhorst, Herr Nagel, an den Heimatverein, und berichtet erstmals von diesem Vorhaben. Ich gehe daher davon aus, dass die Initiative von der Stadt Freckenhorst selbst ausging, um den Missstand der doppelt vergebenen Straßenbezeichnungen zu umgehen. Es heißt zur Begründung: „Es ist daher notwendig, eine Umbenennung von Straßen durchzuführen. Weil in Freckenhorst die Anzahl der Anwohner an den in Frage kommenden Straßen größer ist als in Hoetmar, muss es sinnvoll sein, die Straßenbezeichnungen in Hoetmar zu ändern. Der Stadtdirektor Nagel schreibt an den Heimatverein den Vorschlag der Wagenfeldstraße, allerdings mit der Bitte, gerne andere, alternative Namen vorzuschlagen.

Der Heimatverein hat übrigens am 6. August 1969 der Stadt vorgeschlagen, die „Gerhart Hauptmann-Straße“ zur Wagenfeldstraße zu machen.

Am 18. August 1969 schlägt die frühere Gemeindevertretung Hoetmar nach Abstimmung mit dem Heimatverein vor, „die Betonstraße von der Ahlener Straße bis zur Westkirchener Straße“ solle Wagenfeldstraße heißen. Am 26. August 1969 beschließt der Hauptausschuss der Stadt Freckenhorst diesen Vorschlag.“

Der Vorschlag, Wagenfeld auf das Strassenschild zu schreiben, erfolgte nach Überzeugung unserer Fraktion damals ohne jede politische oder gar nationalsozialistische Intention. Im Gegenteil: Karl Wagenfeld war als Heimatdichter bekannt, Wagenfeldstrassen waren – wenn man so will – damals in Mode. Man hatte überhaupt keinen Zweifel, damit aus der Liste von möglichen Namensgebern eine historisch bedeutende und ehrenwerte Persönlichkeit zu wählen – wie vielfach in Westfalen von den 1950er bis in die 1970er Jahre hinein.

In wissenschaftlichen Kreisen setzte ein Umdenken in der Bewertung Wagenfelds erst Ende der 80er Jahre ein, als Wagenfelds 100ster und später 120ster Geburtstag Anlass zur Beschäftigung mit ihm gaben. Das LWL-Institut für Regionalgeschichte veranstaltete im Juli 2011 zu ihm und anderen Namensgebern ein Symposium. Durch den vom LWL herausgegebenen Band: „Fragwürdige Ehrungen !?“ – Straßennamen als Instrument von Geschichtspolitik und Erinnerungskultur“, auf den sich auch diese gesamte Antragsbegründung bezieht, gelangte das historische Wissen vielfach in den Bereich der Allgemeinheit.

 

Die Diskussion in Hoetmar begann am Volkstrauertag 2011, als der Festredner (Klaus Aßhoff, Grüne) u.a. fragte, ob Karl Wagenfeld, dessen Denken im Dorf wohl kaum Befürworter hätte, weiterhin die Ehre einer Strassenbenennung erwiesen werden dürfe.

Damit ging die dörfliche Öffentlichkeit unterschiedlich um:

Viele Dorfbewohner haben von der Debatte nichts mitbekommen oder erachten sie als irrelevant.

Einige vertraten die Ansicht, der Name habe mit Karl Wagenfeld nichts zu tun, vielmehr hänge er damit zusammen, dass man über die nämliche Zuwegung mit Wagen aufs Feld gefahren sei. Einzelne wollten für die Richtigkeit dieser These noch einen Bezug zur „Alten Stellmacherei“ konstruieren.

Es folgten zwei Anliegerversammlungen, zu denen die Grüne Fraktion einlud, mit Anwohnern der Strasse in unterschiedlichen Besetzungen. Dort wurde der Versuch gemacht, den historischen und politischen Stand den Anliegern zu verdeutlichen. Im Herbst 2014 wollten die damals anwesenden Anlieger zunächst wissen, ob und wie es überhaupt zu der Strassenbenennung gekommen sei. Als im Mai 2016 diese Frage beantwortet werden sollte, brachte ein Anlieger vor Beginn der Veranstaltung eine Liste mit in die Versammlung von, wie er erklärte, 80 Unterschriften von Personen, die „keine Umbenennung wollten“. Darunter seien auch etliche, die nicht Anlieger seien. Er protestierte dabei ausdrücklich schon gegen die Besprechung des Themas. (Die Liste konnte nicht eingesehen werden. Zu der angebotenen und zugesagten Übergabe an unsere Fraktion kam es nicht.)

Trotz einer angeblich breiten Ablehnung wurde das Gespräch jedoch im Kreis der anwesenden Anlieger fortgesetzt. Es wurden weitere Informationen gegeben und es stellte sich dabei heraus, dass grundlegende Kenntnisse zu Wirken, Werk und Person Wagenfelds weitgehend fehlten. Diese wurden auf der Grundlage des Frese (Hg. „Fragwürdige Ehrungen!?“) in äußerster Kürze von Dr. Hermann Mesch vorgetragen.

Daraufhin erfolgten Reaktionen in unterschiedlicher Weise:
Eine Minderheit weigerte sich danach, die Frage überhaupt zu diskutieren und qualifizierte sie als irrelevant und mutwillig von der Grünen Fraktion erfunden ab, darunter auch der Vertreter der Unterschriftenliste, der der Veranstaltung gleichwohl bis zum Schluss beiwohnte.

Andererseits sprachen sich Anwesende mehrheitlich (so wie dies auch schon bei der ersten Versammlung gewesen war) dafür aus, Wagenfeld die Ehre zu entziehen. Diese wollten sich nicht mit Rassismus oder gar Rassenhygiene eines Wagenfeld identifizieren lassen. Allerdings formulierten sie den ausdrücklichen Wunsch, dabei solle eine Strassennamens - Änderung vermieden werden. Dafür wurde als Grund genannt, die Umbenennung ziehe Umstände und Kosten nach sich, die die Betreffenden vermieden wissen wollten.

 

Als Möglichkeit, wie das geschehen könne, wurde dann weiter überlegt:

Ein Teilnehmer wollte aus der Tatsache, dass im vorhandenen Strassennamen der Vorname Karl fehlt, ableiten, Karl Wagenfeld sei auch gar nicht gemeint. Er plädierte für die (auch anderenorts erfolgte) Bezugnahme auf den Namen des Designers Wilhelm Wagenfeld.
Mehrere Teilnehmer plädierten für einen Beschluss des Rates, der eine Entziehung der mit dem Strassennamen verbundenen Ehrung bewirken solle, wodurch eine unveränderte Namensführung als „Wagenfeldstrasse“ möglich würde, die dann unbelastet sei.
Wenige Teilnehmer formulierten die Möglichkeit, zusätzlich zu Pkt. 2 auf einem Zusatzschild die erfolgte Ehrentziehung zu dokumentieren und auf Dauer dort zu zeigen.
Außerdem war:

ein Teilnehmer mit einer Umbenennung ausdrücklich einverstanden.
der geladene Heimatverein bei der ersten Versammlung anwesend, bei der zweiten fehlte er. Der Vorsitzende, Herr Josef Brand, hatte sich persönlich bisher zustimmend zur Namensänderung geäußert. Die Auffassung der Gremien des Vereines ist zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht bekannt.
auf Befragen von keiner Seite ein Name einer anderen ehrenwerten Persönlichkeit als neue Benennungsoption in den Raum gestellt worden.
Die Mitglieder der Grünen Fraktion erklärten, die Entziehung der Ehre für Wagenfeld sei ein Schritt in die richtige Richtung, allerdings müsse dieser auch glaubwürdig erfolgen. Sie sagten zu, die Vorstellungen der Anlieger in ihrer Gesamtfraktion zu erörtern, um danach, wie sie betonten, die ihrer dann entwickelten Überzeugung entsprechenden Anträge an den Bürgermeister zu stellen. Den Teilnehmern wurden die für das weitere Vorgehen einschlägigen Sitzungstermine (Bezirksausschuss, Kulturausschuss und Ratssitzung) genannt und natürlich auch erwähnt, dass es ihnen freistehe, abweichende Vorstellungen im politischen Raum zu diskutieren und zu vertreten. Die Umbenennung sei Sache des Rates.

Meinungsbildung der Grünen Fraktion

Die zugesagte Prüfung der Vorschläge der Anlieger hat die Ratsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen in ihrer öffentlichen Fraktionssitzung vom 24. Mai 2016 anhand des vorliegenden Kenntnisstandes u. d. Literatur vorgenommen und ist dabei zu folgenden Ergebnissen gelangt:

Die Vorstellung, dass mit der Benennung nicht Karl Wagenfeld gemeint wäre, ist abwegig. Bei einer Bezugnahme auf den Designer Wilhelm Wagenfeld im Rahmen eines Ratsbeschlusses würde weder ein Akt der Ehrentziehung für Karl Wagenfeld erfolgen, noch eine ernsthafte Ehrung des Wilhelm Wagenfeld. Erhebliche öffentliche Auseinandersetzung seitens der Angehörigen des Wilhelm Wagenfeld (wie auch andernorts) wären die Folge.
Die Vorstellung, der Rat könnte dem Namensgeber in einem Beschluss zwar die Ehre entziehen, den so Entehrten dann aber gleichwohl „stehen“ lassen, ist offensichtlich widersprüchlich. Die Beschilderung der „Wagenfeldstrasse“ würde sich dann von der der „Dechant-Wessing-Strasse“ äußerlich und im „Gebrauch“ des Namens nicht unterscheiden. Eine Informationstafel ändert daran nichts.
Die Handhabung mit einer Informationstafel, wie sie z.B. in der Stadt Drensteinfurt gewählt wurde, ist ebenfalls inkonsequent. Die zusätzlich enthaltenen Informationen würden beim Gebrauch des Namens im täglichen Leben keine Wirksamkeit entfalten. Der Name Wagenfelds würde gesprochen und geschrieben, als wenn es die Tafel nicht gäbe. Ungewollt würde dadurch der Person auch weiterhin im Wort- und Schriftgebrauch des Alltags ein ehrendes Andenken erwiesen.
Es war daher festzustellen, dass die Beurteilung der meisten Anlieger einerseits und der Grünen Fraktion andererseits zwar weniger im Ziel, aber umso mehr im Weg auseinanderfallen.

In Anbetracht dieses Dissenses war durch uns als Antragsteller (und später auch durch Ausschüsse und Rat) zu diskutieren, welchen Stellenwert die Auffassung der Anlieger in Abwägung zum Allgemeininteresse in einem solchen Verfahren haben sollen. Dazu hat sich die Grüne Fraktion folgende Standpunkte erarbeitet:

Wir gestehen zu, dass im Falle einer Namensänderung die Anlieger davon betroffen wären. Ihnen entstehen Kosten (Dokumente) und Umstände (Umgewöhnung). Nach Überzeugung der Fraktion sind diese Aufwendungen bei objektiver Betrachtung aber gering. Dokumentenkosten mutet der Gesetzgeber den Bürgern in Deutschland ohne Weiteres zu. Einen neuen Ausweis zu benötigen, ist ein allgemein üblicher Bestandteil der Lebenshaltung. Er kommt eben immer mal vor, wenn sich – in der Regel durch eigenen Umzug – manchmal aber auch durch öffentliche Maßnahmen, wie Arrondierung von Flächen oder Grundstücksteilungen, Hausnummernanpassungen, Neubaugebiete usw. eine solche Notwendigkeit ergibt. Wir sind daher überzeugt, dass diese Belastungen im Falle einer Umbenennung zugemutet werden dürfen. (Die Grüne Fraktion erwartet allerdings, dass die Stadt den Empfängern staatlicher Transferleistungen die Kosten für den neuen Ausweis, Foto u. evtl. Führerschein erlässt.)
Die der Stadt Warendorf entstehenden Kosten für neue Schilder und Abänderung von Verzeichnissen, Bescheiden und Dokumenten können vernachlässigt werden.
Was den Bereich der Umgewöhnung angeht, ist ein Gewohnheitsrecht, auch ein gefühltes Gewohnheitsrecht, auf die Weiterführung eines Strassennamens nicht existent. Es ist jedem zuzumuten, sich an eine neue Bezeichnung seiner Wohnung zu gewöhnen.
Dem gegenüber hat es für die Stadt Warendorf – und nicht zuletzt für ihren Ortsteil Hoetmar – erhebliche Auswirkungen, wenn dort, anders als in sehr vielen anderen Städten und Gemeinden, der Name eines Rassisten auf dem Strassenschild steht. Neben dem Ehrungs- und Erinnerungsaspekt im engeren Sinne werden Strassennamen durchaus als ein Medium angesehen, welches Staat und Kommune einsetzen, um die Erinnerung (an Zeiten, Personen, Ideen usw.) zu steuern. Namen sind insoweit ein wichtiger Teil städtischer Selbstdarstellung. Immer dann, wenn es sich um historische Persönlichkeiten handelt, ist, um es mit einem Slogan zu sagen, der Name auch Programm. Im Falle Wagenfelds bekennen sich die Stadt Warendorf und ihre Bürger nicht nur zu einer rassistischen Person der Zeitgeschichte, sondern auch zu der Idee des Rassismus, wenn sie es duldet, dass dieser Name im Strassenverzeichnis auftaucht. (Wie peinlich wäre es z.B., den Repräsentanten der Städtepartnerschaften den Namen Wagenfelds erläutern zu müssen?) Namen sind Botschafter einer Form gesellschaftlicher Anerkennung und Ehrung von Personen der Zeitgeschichte, die immer auch auf die verweisen, die die Namen gewählt haben und heute mit ihnen leben wollen.
Im Falle Wagenfelds sind diejenigen, die die Namen damals gewählt haben, vermutlich Opfer eines Irrtums bzw. von Unwissenheit geworden. Dabei dürfen wir annehmen, dass diese unsere Vorgänger, ausgestattet mit heutigem Wissen, niemals eine Wagenfeldstrasse zugelassen hätten. Wenn wir heute diesen Irrtum erkennen und seine Folgen beseitigen, ist das nicht nur eine Korrektur dieses Irrtums, sondern zugleich ein nachträglicher und wohlwollender Dienst an den Personen, die damals irrig gehandelt haben, die Bürgermeister, Ausschüsse, Räte und Heimatvereine unseres heutigen Warendorf.
 

Legitimation zur Änderung auch gegen den Anliegerwillen-politische Implikationen

Die den Strassennamen eigene Strahlkraft legitimiert die Stadt, eine Person als Namensgeber einer Strasse zu löschen, wenn damit ungute Assoziationen bezüglich der heutigen Stadt Warendorf geweckt werden. Dies gilt auch dann, wenn dieser Effekt selten ist oder nur bei interessierten Kreisen auftritt. Die geringen Belastungen der Anlieger durch eine Umbenennung müssen daher gegenüber dem übergeordneten Interesse der Stadt und ihrer zu wahrenden Unbescholtenheit zurückstehen.

Leider hat der Vorgang durch das Erstarken rassistischer Gedanken durch rechtspopulistische Kräfte auch politisch eine brennende Aktualität erlangt, die auch unsere Fraktion sich so vor einigen Jahren noch nicht hätte ausmalen können. Gerade bei der Diskussion mit den Anliegern wurde immer wieder betont, die meisten hätten sich noch niemals – weder positiv noch negativ - mit dem vorgefundenen Namen ihrer Strasse befasst. Was von Seiten der Anlieger als Beweis für die Irrelevanz der ganzen Diskussion gedacht war, erweist sich aber nach Überzeugung der Grünen Fraktion im Lichte der rechtspopulistischen Gefahr als das Gegenteil: In einer verfehlten Namensgebung steckt auch immer das Potential einer Aktivierung durch „interessierte“ Kräfte, wie es z.B. bei uns die AfD mit ihrem militanten Nationalismus, Rassismus und ihrer Islamophobie ist. Latent war die Gefahr schon immer vorhanden, dass solche Geister auch auf als öffentlich geehrte, übriggebliebene Rassisten, Kriegstreiber, Antisemiten oder Hitlerverehrer Bezug nehmen und dann in einem solchen Fall eine genau umgekehrt zielende Aktualisierung der Erinnerung geschieht: Statt des Abwertens der Person als zwar rassistisch, aber uninteressant und vergessen, könnte es zu einer Aufwertung kommen, die plötzlich z. B. auch für die sogenannten „besorgten Bürger oder Jugendliche in ihrer Orientierungsphase interessant oder gar vorbildlich wirkt.

Insoweit passt eine Umbenennung nicht zuletzt auch zur aktuellen politischen Lage, wenn im Konsens der Demokraten die letzten noch verbliebenen Spuren verfehlter Ehrungen getilgt werden und damit Warendorf auch auf diese Art ein deutliches Zeichen setzt gegen Rassismus und die ähnlichen Übel.

Aus diesem Grund bitten wir alle Fraktionen sehr herzlich um Zustimmung und die ablehnenden Teile der Anlieger um Verständnis.



[1] Wagenfelds „Heimatbund-Denkschrift“ von 1913, nachfolgend zitiert nach Ditt 2012, enthält folgende Passage: „Wenn aber die Heimatsache – sei es Heimatschutz, Heimatpflege oder Volkskunde und Volkssprache– nachhaltige Erfolge haben will, so ist unbedingt nötig, daß die weitesten Volkskreise bedeutend mehr, als bislang geschehen ist, für die Heimatfrage interessiert werden. Denn nur dadurch kann das Endziel aller Heimatbewegung erreicht werden: das Volk zu bewußter Heimatliebe zu erziehen. Das aber ist gerade hier in

Westfalen um so dringender nötig, als für uns, die wir mit Eisen und Kohle dem Ansturm der Industrieausgesetzt sind, die Heimatfrage letzten Endes nicht eine Frage des Hausbaues, nicht eine Frage der Landschaft,der Sitte, der Sprache an sich ist, sondern eine Rassenfrage, eine Stammesfrage. Das Slaventum und die Fremdlinge des Industriebezirkes bedeuten [den] Anfang einer neuen Völkerwanderung, die uns überrennen, unsere ganze völkische Art zugrunde richten wird, wenn nicht in jeden Volksgenossen das Heimat- und Stammesgefühl hineingehämmert und lebendig gehalten wird“. – Zur breiten Rezeption der „Rassenkunde“, der Wagenfelds „Heimatbund-Denkschrift“ von 1913, nachfolgend zitiert nach Ditt 2012, enthält folgende Passage: „Wenn aber die Heimatsache – sei es Heimatschutz, Heimatpflege oder Volkskunde und Volkssprache– nachhaltige Erfolge haben will, so ist unbedingt nötig, daß die weitesten Volkskreise bedeutend mehr, als bislang geschehen ist, für die Heimatfrage interessiert werden. Denn nur dadurch kann das Endziel aller Heimatbewegung erreicht werden: das Volk zu bewußter Heimatliebe zu erziehen. Das aber ist gerade hier in Westfalen um so dringender nötig, als für uns, die wir mit Eisen und Kohle dem Ansturm der Industrieausgesetzt sind, die Heimatfrage letzten Endes nicht eine Frage des Hausbaues, nicht eine Frage der Landschaft, der Sitte, der Sprache an sich ist, sondern eine Rassenfrage, eine Stammesfrage. Das Slaventum und die Fremdlinge des Industriebezirkes bedeuten [den] Anfang einer neuen Völkerwanderung, die uns überrennen, unsere ganze völkische Art zugrunde richten wird, wenn nicht in jeden Volksgenossen das Heimat- und Stammesgefühl hineingehämmert und lebendig gehalten wird“. – Zur breiten Rezeption der „Rassenkunde“, der vorgeblichen „neuen Wissenschaft“, im Kaiserreich vgl. Aly 2011, S. 119-125.  zit nach: Peter Bürger, Plattdeutsche Kriegsdichtung aus Westfalen 1914-1918. Eslohe , 2012. S. 103

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